Am 22. Oktober 2022 richtete der Nürnberg-Fürther Stadtkanalverein den ersten Stadtkanalkongress aus. („Wendeschleife“ – Rundbrief des VCD)
Nach einer Grußbotschaft des Nürnberger Stadtrats Ernesto Buholzer Sepúlveda
(politbande) berichtete Tom Konopka vom BUND Naturschutz davon, wie in den 1960er-Jahren der alte Ludwig- Donau-Main-Kanal in eine Schnellstraße verwandelt wurde. Dieser Verkehrsweg bewegt bis heute die Gemüter, da die Stadt Nürnberg bekanntlich plant, die Autobahn mit noch einem Dutzend mehr Fahrspuren, einem monströsen Tunnel und einer vierspurigen Rennstrecke in die Innenstadt auszubauen.
Danach berichtete der Stadtkanalverein von seiner Idee, aus der A73 wieder einen
Kanal zwischen Nürnberg und Fürth zu errichten, wodurch sich die Lebensqualität für zehntausende Menschen in den anliegenden Vierteln nachhaltig verbessern würde. Eine grüne Frischluftschneise mit hunderten Kleingärten, Fahrradschnellwegen, Bäumen, Freibädern, Freilichtbühne und Sozialwohnungen würde viel weniger kosten als der Autobahnausbau. Von der Verbesserung des Stadtklimas ganz zu schweigen.
Zum Thema Verkehrswende sprach nach der Pause Prof. Dr.-Ing. Harald Kipke von der Technischen Hochschule Nürnberg. Er machte deutlich, dass eine Verkehrswende in Nürnberg nicht nur notwendig ist, sondern auch relativ einfach möglich wäre. Man müsste nur dem Glauben abschwören, dass mehr Straßen zu einem besseren Verkehrsfluss führten. Das Gegenteil ist der Fall. Die Folgen von immer mehr Autos, die von immer besseren Straßen angelockt werden, verursachten schon heute extreme
Kosten für die Anwohner und belasteten Umwelt und Klima.
Ein hochinteressantes Projekt stellten Dennis Klose und Elvira Hendricks aus Hannover vor. Die Genossenschaft eco- Village baut dort ein eigenes Ökodorf mit Wohnungen für 1.000 Menschen. Und zwar eigenhändig, ohne Baukonzerne, Immobilienhaie oder Großinvestoren. Ziele sind hundertprozentige Klimaneutralität, Wohnraum für jeden Geldbeutel und Schaffung einer gleichberechtigten, diversen und offenen Gemeinschaft. Für den Nürnberg-Fürther Stadtkanalverein
ein Beweis, dass Menschen ihre städtische Umgebung sehr wohl gemeinsam und ohne große Konzerne oder Investmentfonds selbst gestalten können.
Internationale Gäste
Zugeschaltet aus dem niederländischen Utrecht meldete sich Eelco Eerenberg, seines Zeichens Beigeordneter und Projektmanager, per Livestream. Er befindet sich in der beneidenswerten Lage, über die Transformation einer innerstädtischen Autobahn zurück in einen Kanal berichten zu können. Er präsentierte zahlreiche eindrückliche Bilder, die das neue Utrecht, ohne Autos, aber dafür wieder mit Kanal zeigten.
Danach betrat Anne Klein-Hitpaß die Bühne. Sie leitet seit Juli 2021 den Forschungsbereich „Mobilität“ am Deutschen Institut für Urbanistik in Berlin. Sie erzählte von zahlreichen Beispielen aus aller Welt, wo Straßen autofrei gemacht
oder sogar zurückgebaut wurden. Sie berichtete, dass immer, wenn man das Automobil aus den Städten zurückdrängen wolle, zweimal großer Lärm gemacht wird: Beim ersten Mal wird gejammert und geklagt, dass ohne Autos die Zivilisation zusammenbräche. Beim zweiten Mal jubeln alle, wenn die Maßnahme umgesetzt wurde und loben die
tolle Lebensqualität, die sie nicht mehr missen wollen.
Prof. Dr. Rolf Kuhn, ehemaliger Direktor des Bauhauses Dessau und Geschäftsführer
der Internationalen Bauausstellung Fürst-Pückler-Land war aus Großräschen angereist. Unter seiner Leitung wurde das Gebiet des ehemaligen Braunkohletagebaus in der Lausitz in eine Seenlandschaft voller verzauberter Orte, Industriedenkmäler und Naturoasen verwandelt. Mit viel Grün am Wasser, so wie auch die Kanallandschaft
zwischen Nürnberg und Fürth einmal aussehen kann.
Da sich vier amtierende Stadträt*innen im Saal befanden, nämlich Mike Bock,
Christine Kayser und Ernesto Buholzer aus Nürnberg und Christoph Wallnöfer aus Fürth, durfte die Talkrunde zum Abschluss nicht fehlen. Poetryslamerin Kathi Mock aus Erlangen moderierte souverän. Es bleibt festzuhalten, dass es niemandem weh täte, wenn man jetzt einfach mal auch seitens der Stadt darüber nachdächte, ob es nicht etwas Sinnvolleres gäbe als diese Autobahn quer durch Nürnberg. Insbesondere angesichts des De-facto-Baustopps bis 2026, der im Dezember 2022 aus finanziellen Gründen beschlossen wurde, hoffen wir sehr, dass sich die Stadtratsparteien dazu durchringen können, Alternativen zum FSW ernsthaft in Betracht zu ziehen. Mit ein wenig Mut und Verantwortungsgefühl ließe sich mit einer grünen Kanallandschaft
anstelle der Asphaltpiste ein sichereres, gesünderes und lebenswerteres Nürnberg für kommende Generationen schaffen.
Theobald Fuchs